Anfang 2010 haben sich Vertreter des NABU St. Ingbert mit Vertretern von 5 Stadtratsfraktionen getroffen, um über die Umsetzung des Biosphärenkonzeptes zu sprechen. Als wesentliches Ergebnis
wurde der Umsetzungsvorschlag formuliert, eine außerhalb der Verwaltung organisierte Arbeitsgruppe zu gründen, an der sich interessierte BürgerInnen beteiligen können umIdeen zu sammeln, zu
formulieren und der Verwaltung und den Gremien vorzuschlagen.
St. Ingbert als Biosphärenstadt - Gedanken des NABU St. Ingbert
Die Anerkennung der Biosphäre Bliesgau durch die UNESCO hat bei den Menschen in der Region Freude ausgelöst. Das UNESCO-Prädikat ist eine große Chance, die Region und St. Ingbert als Lebensumfeld
attraktiver zu machen und sich positiv von anderen Regionen und Städten abzuheben. Um diese Chance zu nutzen, ist es erforderlich, die Aufgabenstellung und das darauf abgestimmte Lösungskonzept
exakt zu definieren. Zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, sollten aus unserer Sicht zunächst folgende Fragen beantwortet werden:
Einige Antworten wird der Leitantrag zur Aufnahme der Biosphäre Bliesgau enthalten. Die notwendige Konkretisierung zur Umsetzung der Ziele im Verantwortungsbereich der Stadt St. Ingbert wird aber
noch zu leisten sein. Dazu bedarf es nach unserem Verständnis
Zur Erfüllung dieser komplexen Aufgabe bietet der NABU St. Ingbert seine Mithilfe an. Welche Rolle ist der NABU St. Ingbert bereit zu übernehmen?
Im Bereich des Naturschutzes sehen wir folgende Schwerpunkte:
Wald
Wald macht den größten Teil der Naturflächen St. Ingberts aus. Deutschland hat für Buchenwälder eine besondere Verantwortung. Dieser Verantwortung kommt der Saarforst mit der FSC-Zertifizierung
nach und leistet hier das Mögliche. Wald muss als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als Erholungsraum für die Menschen verstanden werden. Deshalb darf keine touristische und sportliche
Übervölkerung stattfinden. Oft wird die Sensibilität des Ökosystems Wald unterschätzt und auch verletzt. Im Umgang mit dem Wald können noch Verbesserungen erfolgen, wie z. B. eine Einschränkung
des Autoverkehrs im Rahmen von Holzgewinnung für den privaten Verbrauch. Ziel muss es sein, reich strukturierte Wälder zu haben (Waldgewässer, Waldwiesen, hoher Alt- und Totholzanteil,
größere Ruhezonen, Lichtwaldareale).
Gebäude- und Freiflächen
Neben den 52,3% Wald machen in St. Ingbert 30,2% Gebäude-, Frei- und Verkehrsflächen
den weiteren Schwerpunkt aus. In Deutschland werden heute pro Tag über 100 ha freie Flächen versiegelt. Hier wurden in den letzten Jahrzehnten in ganz Deutschland die schwersten Umweltsünden
begangen. Die mittlerweile einsetzenden Renaturierungsmaßnahmen sind aber nicht ausreichend um das massive Artensterben und den anhaltenden Flächenverbrauch auch nur annähernd aufzuhalten. Der
Handlungsbedarf ist hier am größten.
Maßnahmen der Stadtbegrünung wie Alleen, naturnahe Außenanlagen im gewerblichen und öffentlichen Bereich, die Entsiegelung und die Selbstverpflichtung zum Verzicht auf nicht heimische Pflanzen
sind ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, verbessern das Stadtklima spürbar und tragen zur Regulierung des Wasserhaushalts bei. Der Stopp des Flächenverbrauchs ergibt sich somit als ein
Hauptziel. Die Stadtplanung sollte sich an dem Grundsatz „mehr Grün in der Stadt“ orientieren.
Deshalb sollte auf der Grundlage der vor Jahren durchgeführten Kartierung des Baumsbestandes die Baumschutzverordnung als ein wichtiger Baustein für die Biosphärenstadt St. Ingbert umgesetzt
werden.
Den sich neu ansiedelnden Gewerbebetrieben kann ein Angebot zur naturnahen Gestaltung der Außenflächen gemacht werden, die durch örtliche Betriebe ausgeführt werden und so einen Beitrag zur
Biosphäre leisten. Da eine solche Gestaltung auch weniger Anschaffungskosten produziert und die laufenden Kosten wegen geringerem Wasserverbrauch gesenkt werden, sollte das überzeugend
sein.
Lärm und die nächtliche Beleuchtung belasten die Gesundheit von Mensch und Umwelt. Eine Bestandsaufnahme unter den Aspekten der UNESCO-Ziele sollte erfolgen. Moderne Verfahren
und Methoden zu einer deutlichen Entlastung von Mensch und Umwelt hat der NABU-Bundesverband in Berlin veröffentlicht.
Das Verkehrskonzept, das auch den Individualverkehr innerhalb der Stadt reduzieren soll, kann durch eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und einen Ausbau des Radwegenetzes sowie die
Schaffung von Fahrrad-Transportmöglichkeiten (Anhänger am Bus) aufgewertet werden.
Im Bereich der Energiepolitik finden bereits Veränderungen statt. Stadteigene Förderung von
Solarstromerzeugung sollte überlegt werden. Hingegen die Nutzung nachwachsender Rohstoffe zur Energieerzeugung, die durch Raubbau gewonnen wurden, muss ein Tabu sein. Anzustreben sind
Stromerzeugung und Lieferung von Wärme durch kleine dezentrale Blockheizkraftwerke. Eine Wirtschaftspolitik, die ihren Schwerpunkt in der Ansiedlung von Logistikunternehmen hat, passt nicht ins
Bild einer Nachhaltigkeit anstrebenden Biosphärenstadt.
Wasser
Wasser hat eine existentielle Bedeutung. St. Ingbert besitzt eine Reihe von Gewässern, die sich ungleich auf das Stadtgebiet verteilen. Allgemein lässt sich hierzu festhalten, dass biologisch bei
der Gewässerqualität durchschnittlich bestenfalls eine mittlere Güte erreicht wird. Für den untersuchten Rohrbach wurde die Gütestufe 2-3 (Gewässergüteatlas des Saarlandes) festgestellt. Hier
müssen Verbesserungen erfolgen, da nur eine höhere Güte Erfolge in der Umweltqualität garantieren kann.
Außer der Wasserqualität ist auch die Uferstruktur der Gewässer (Weiher) zu verbessern, da sie fast überall naturfern ist und keinen geeigneten Lebensraum für gewässertypische Fauna und Flora
darstellt.
Insgesamt muss mehr Wasser in der Landschaft gehalten werden. Dies sollte schon deshalb erfolgen, weil der Klimawandel längere Trockenperioden verursachen wird. Dazu müssen mehr Stillgewässer
geschaffen werden, die sich über das Stadtgebiet gleich verteilen. Entwässerungen sind grundsätzlich abzubauen.
Die Versiegelung von Flächen führt zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels mit zum Teil schwerwiegenden auch wirtschaftlichen Nachteilen. Der Flächenverbrauch muss auch deshalb aufgehalten
werden.
Landwirtschaft
Zwar spielt die Landwirtschaft für die Mittelstadt St. Ingbert selbst nur eine untergeordnete Rolle, doch gilt es, gerade auf die wenigen landwirtschaftlichen Betriebe und die anderen
Biosphären-kommunen einzuwirken, denn der Konsum regionaler und saisonaler Nahrungsmittel ist zentraler Inhalt des Biosphärenkonzepts. Nachhaltig wird Landwirtschaft erst, wenn möglichst viele
Landwirte den Einsatz von Pestiziden und chemischem Dünger reduzieren.
Außerdem müssen landwirt-schaftliche Flächen so gestaltet werden, dass Entwicklungs-
möglichkeiten für Tiere und Pflanzen bestehen. Das gelingt durch Einrichtung von sogenannten „Fenstern“ (ungenutzte kleine Teilflächen) auf allen landwirtschaftlichen Flächen. Auch das Ausbringen
von Gülle ist für die Natur eine Belastung und sollte im Sinne einer extensiven Landwirtschaft unterbleiben.
Feuchtwiesen und Sumpfzonen dürfen nicht entwässert werden und sollen deshalb der Nutzung entzogen werden. Tierhaltung ist so zu gestalten, dass für die Tiere ein natürliches Leben möglich ist.
Boxenhaltung von Kühen und Käfighaltung von Hühnern gehören nicht dazu. Auch der Import von Soja, Mais und anderen Futtermitteln aus fernen Regionen passt nicht in das Biosphärenkonzept. Den
Landwirten sollte wegen des Mehraufwandes finanzielle Unterstützung angeboten und Vermarktungshilfen aufgezeigt werden.
Umweltbildung
Die größten Erfolgschancen werden durch eine umfassende Informations- und Bildungsinitiative generiert. Nur die wenigsten Menschen setzen sich bewusst und vorsätzlich gegen die Natur ein. Oft
passieren Fehler aber aus Unwissenheit. Das kann durch eine institutionalisierte Informations-maßnahme vermieden werden. Bereits heute setzen sich ehrenamtlich tätige Bürger dieser Stadt für
Aufklärung ein. Durch eine Vernetzung aller Beteiligten (Verwaltung, Schulen, Kindergärten, Verbände, Forst etc.) kann die Effizienz deutlich erhöht werden. Ein gemeinsames Mehrjahres-programm
wäre hier sinnvoll.
Fazit
Der NABU St. Ingbert fordert dazu auf, keine weitere Verschlechterung der bestehenden
natürlichen Lebensräume in St. Ingbert zuzulassen.
Der Freude über die Anerkennung der Biosphärenidee durch die UNESCO müssen jetzt Taten folgen. Es reicht nicht aus, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Die UNESCO und die Bürger erwarten, dass
sich St. Ingbert als „Tor zur Biosphäre“ in den genannten Bereichen positiv weiter-entwickelt. Aus diesem Grund sollte schnell mit der Erarbeitung einer Umsetzungskonzeption und ersten konkreten
Maßnahmen begonnen werden.
Der NABU Bundesverband hat umfangreiche Untersuchungen in allen angesprochenen Bereichen durchgeführt. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.nabu.de.
Wir bieten unsere Mitarbeit an und freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit.